Die Positionierung ist der Startschuss in die Zukunft

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Von Bastian Schneider und Philippe Wicki

Findet ein Unternehmen den einen positionierenden Punkt, für den es in Zukunft stehen will, dann kann dies eine mitreissende Welle an unternehmerischer Energie und Schaffenskraft im ganzen Unternehmen auslösen. Dann weicht das Gefühl des zermürbenden Stillstands bei den Mitarbeitenden frisch gewonnener Motivation und dem guten Gefühl des Vorankommens. Dieses Momentum kann sich auf viele Personen im Unternehmen übertragen und Identifikation, Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein steigern. Gleichzeitig fördert das geschärfte Profil ein klares Vorstellungsbild und erhöht die Anziehungskraft gegenüber Kunden, Partnern und neuen Mitarbeitern. Dieser Augenblick, in dem der Fortschritts-Motor – der in jedem Unternehmen verborgen liegt – anspringt, begeistert uns. Denn da spüren wir eindrücklich, dass wir helfen und etwas bewegen konnten.

Ohne Positionierung geht es nicht

In unserer heutigen Zeit braucht jedes Unternehmen eine mobilisierende, zukunftsgerichtete Positionierung, die ein positives und selbstbewusstes «In-die-Zukunft-Schreiten» ermöglicht. In allen Branchen, in denen wir Unternehmen unterstützen, haben sich die Marktbedingungen in den letzten Jahren stetig verschärft. Neue Konkurrenten aus dem In- und Ausland treten mit neuartigen Produkten, tieferen Preisen oder innovativen Vertriebswegen in den Markt. Lieferanten und Abnehmer erweitern ihr Angebot und bedrohen die Marktposition etablierter Player. Neue Technologien eröffnen fast unbegrenzte Möglichkeiten und verändern Kundenbedürfnisse in kürzester Zeit radikal. Als wäre dies nicht genug, erschweren regulatorische und politische Bedingungen die Geschäftstätigkeit. Von dieser Komplexität und Marktdynamik darf man sich nicht in eine passive Rolle drängen lassen. Vielmehr bedarf es als Gegenkraft einen eigenen Bewegungsmoment, mit dessen Hilfe sich ein Unternehmen auch in unruhigen Zeiten grösstmögliche Stabilität erarbeiten kann. Eine klare und eigenständige Positionierung ist hierfür unerlässlich.

Das Beispiel Lego

Können Sie sich noch an Ihr erstes Lego Produkt erinnern? Wahrscheinlich haben Sie es als Kind geschenkt bekommen und mit riesiger Freude die farbigen Bausteine auf dem Küchentisch oder dem Wohnzimmerboden ausgebreitet und sogleich mit dem Zusammenbauen begonnen. Egal, ob Sie das Polizeiauto erst einmal exakt nach Bauanleitung zusammengesetzt haben oder Ihrer Fantasie sogleich freien Lauf liessen und etwas Eigenes kreierten: Dank der Einfachheit des Systems und den unendlich vielen Kombinationsmöglichkeiten konnten Sie ganze Welten selber erschaffen und Ihre Ideen immer wieder aufs Neue verwirklichen. Seit Generationen begeistert Lego auf diese Weise junge und ältere Kinder gleichermassen, immer wieder aufs Neue, mit zeitgemässen und vielfältigen Produktsets.

Kern des nachhaltigen Erfolgs ist ein kristallklares Selbstverständnis und dessen normative Umsetzung. Das Unternehmen hat sich auf die Fahne geschrieben: «Inspire and develop the builders of tomorrow.». Diese Mission zusammen mit dem berühmten Lego-Baustein haben Lego über die Jahrzehnte hinweg immer wieder dabei geholfen, die jeweils für Lego richtigen Antworten auf die Herausforderungen der Zeit zu finden. Sie haben bewirkt, dass sich Lego auch in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten immer wieder auf die eigenen, ursächlichen Stärken rückbesinnen und gesunden konnte. Und sie haben es ermöglicht, dass Lego heute ein vielseitiges Sortiment aufgebaut hat, welches die unterschiedlichsten Zielgruppen anspricht, ohne dabei auch nur einen Millimeter an Differenzierung einzubüssen. Selbst bei Partnerschaften mit starken anderen Marken, wie z.B. Star Wars oder Harry Potter, enthalten die Produkte immer noch 100% Lego-DNA und lassen sich problemlos mit allen anderen Lego-Welten zusammenfügen. Alles bei Lego zahlt auf einen Punkt ein. Und dies hat dem Unternehmen stark dabei geholfen, zu einer der bekanntesten Marken der Welt zu werden.

Das Beispiel Virgin America

Oder erinnern Sie sich einmal an Ihren letzten Flug. Egal, mit welcher Airline Sie geflogen sind, die Beschreibung Ihres Erlebnisses der ersten halben Stunde wird in etwa wie folgt sein: Nachdem Sie sich auf Ihrem plastikverschalten, dunkelfarbigen Sitz niedergelassen haben, versuchten Sie die Zeit bis zum Start totzuschlagen. Vielleicht mit Lesen des Airline-Magazins oder dem Beantworten Ihrer E-Mails am Laptop. Das künstliche, kühle Licht und das funktionale Interieur erzeugten eine eher sterile, wenig inspirierende Atmosphäre. Dem Safety-Video, das abgespielt wurde, schenkten Sie wenig bis gar keine Aufmerksamkeit. Sie haben es schon dutzende Male gesehen und es sieht sowieso immer gleich aus. Welche Airline das nun nochmal war, ist egal, es könnte jede beliebige gewesen sein.

Nicht so bei Virgin America. Die weltweit tätige Virgin-Gruppe des Unternehmers Richard Branson hat bei all ihren Geschäftstätigkeiten denselben Anspruch: den Status quo einer Branche zu hinterfragen und Dinge anders zu tun. Ganz in diesem Sinne ist auch die Airline Virgin America «on a mission to make flying good again» und setzt diese einzigartige Idee gewinnbringend und aufmerksamkeitsstark an allen Kundenkontaktpunkten um. Das merkt man bereits beim Einsteigen in das Flugzeug. Die bläulich-violette Beleuchtung, die weissen Schalensitze mit schwarzem Leder, der eigene Touchscreen mit dem umfangreichen Entertainment-System, WiFi und viele weitere Optionen und Services werden bei Ihnen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und dank eines ausgefallenen Safety-Videos, das im Stil eines mitreissenden Musikclips daherkommt, werden Sie seit Langem wieder einmal auch den Sicherheitsinstruktionen Ihre volle Aufmerksamkeit schenken. Virgin America lebt die eigene Positionierung und nimmt eine starke Position in einem hart umkämpften Markt ein.

Anforderungen an eine zugkräftige Positionierung

Aber wie findet ein Unternehmen seine Position in der zukünftigen Welt? Und wie kann es sich sicher sein, auch die richtige Positionierung gefunden zu haben? Nach unserem Verständnis sind dazu vor allem drei Anforderungen von Bedeutung. Drei Bedingungen, die helfen, die richtige Positionierung aus einer Vielzahl an oft bestehenden Optionen herauszufiltern:

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1. Charakteristisch sein und sich selbst treu bleiben

Sind Sie sich Ihren unternehmensinternen Besonderheiten bewusst? Wissen Sie, welche Eigenschaften für Ihr Unternehmen charakteristisch sind und welche Stärken sie besitzen? Und falls ja, sind diese einzigartig oder können andere dasselbe sagen? Die wirklichen Besonderheiten seines Unternehmens zu finden, ist keine triviale Aufgabe. Denn sie können auf den unterschiedlichsten Ebenen und in allen Abteilungen verborgen liegen: von innovativen Produktionstechniken über spezifische Qualitätsprozesse oder eine einzigartige unternehmerische Grundhaltung bis hin zu einer ganz eigenen, über die Zeit gewachsenen Unternehmenskultur. Zudem zählt nur das, was wirklich Substanz hat, nur schwer kopierbar ist und langfristig im Unternehmen genutzt werden kann. Wir sind der Überzeugung, dass jedes Unternehmen derartige Besonderheiten besitzt – oft ist man sich ihrer aber nicht in vollem Umfang bewusst oder relativiert sie als «Selbstverständlichkeiten».

2. Relevant sein für seine Kunden (und dies auch bleiben)

Was sind die zentralen Bedürfnisse Ihrer Kunden, die Sie mit Ihren aktuellen Produkten und Dienstleistungen erfüllen? Welchen Wert stiften Sie Ihren Kunden? Und was tun Sie heute, um bestehende und neue Kunden auch in Zukunft mit innovativen Angeboten zu begeistern? Die hohe Wettbewerbsintensität des heutigen Marktumfeldes hat dazu geführt, dass Kunden sich an eine breite Produktvielfalt, tiefe Preise und schnellere Innovationszyklen gewöhnt haben. Um hier auch über die Zeit für seine Kunden immer wieder auf neue Art und Weise relevant zu bleiben, ist eine immense Herausforderung. Viele einst erfolgreiche und den Markt dominierende Unternehmen sind in nur wenigen Jahren in der absoluten Bedeutungslosigkeit versunken. Nokia, Blackberry, Kodak oder der amerikanische Videoverleih Blockbuster sind nur ein paar Beispiele dafür. Wir haben erkannt, dass es immer ein marktnahes und dennoch zukunftsoffenes Selbstverständnis eines Unternehmens braucht, um sich in ausreichender Geschwindigkeit in die Märkte und Bedürfnisfelder von morgen hineinzuentwickeln.

3. Anders sein als die anderen

Wodurch unterscheidet sich Ihr Unternehmen vom Wettbewerb? Und in welchen Bereichen gleichen Sie sich der Konkurrenz an? Zu wissen, für was Ihre Wettbewerber stehen und wie sie sich am Markt präsentieren, ist essentiell, um zu verstehen, welche Eigenschaften Ihres Unternehmens wirklich einzigartige Besonderheiten sind und welche austauschbar oder bereits von anderen «besetzt» sind. Wir beobachten immer wieder, wie ganze Branchen dazu tendieren, sich auf ein und dieselben Kernbotschaften und Versprechen einzuschwingen. Ein Beispiel hierfür sind die Schweizer Privatbanken. Praktisch in jeder Unternehmensbeschreibung stösst man auf Aussagen wie: «Wir sind eine führende Schweizer Privatbank», «mit langer Tradition», «mit massgeschneiderten Lösungen», «verantwortungsbewusst und kompetent» sowie «Ihr verlässlicher Partner». Derart generische Botschaften gehören zum Grundrauschen der gesamten Branche. Sie können alle nicht einer bestimmten Marke zugeordnet werden und verhelfen keinem der Marktteilnehmer zu einer klaren Positionierung. Wir wissen aber: Am Ende gewinnt immer derjenige, der anders ist als die anderen.

Erfolgsfaktoren beim Herausarbeiten einer starken Positionierung

Mit diesen drei Anforderungen im Kopf sind Sie gut ausgerüstet, um auf die Suche nach der eigenen Positionierung zu gehen. Auf dem Weg dorthin haben sich zudem noch folgende Erfolgsfaktoren als hilfreich erwiesen:

1. Umfassende interne Substanzanalyse anstatt einseitige Marktorientierung

Entscheidend ist, dass man sich zu Beginn ernsthaft mit den vielschichtigen Facetten des eigenen Unternehmens auseinandersetzt; also eine fundierte Substanzanalyse der eigenen Stärken und Besonderheiten erarbeitet. Dieser Schritt kommt oft zu kurz. Zu schnell beginnt man, sich mit dem Markt, dem Wettbewerb und den Kunden zu beschäftigen. Sich zuvor nur auf das eigene Unternehmen zu beschränken, erfordert einen gewissen Willen sowie Ausdauer und Hartnäckigkeit. Aber es lohnt sich. Die Informationen, die man hier erhält, bilden immer den Grundstein für die erfolgreiche Erarbeitung einer Positionierung.

2. Systematischer Prozess anstatt Durchführung eines Ad-hoc-Markenworkshops

Niemand positioniert ein Unternehmen über Nacht. Und auch ein einzelner Workshop zu dem Thema, egal, wie gut er auch vorbereitet sein mag, kann diese Aufgabe nicht seriös erfüllen. Vielmehr braucht es einen klar strukturierten Prozess, bei dem Informationen gesammelt, schrittweise und zielgerichtet verdichtet und in möglichen Szenarien verarbeitet werden. Dieses Vorgehen verhindert emotionale Kurzschluss-Entscheidungen und fördert eine Diskussion, welche effizient und zielgerichtet zur Klärung der eigenen Positionierung führt.

3. Involvierung der Entscheidungsträger aller Bereiche anstatt isoliertes Marketing-Projekt

An der eigenen Positionierung zu arbeiten heisst, am offenen Herzen des Unternehmens zu arbeiten. Das sollte eine Abteilung besser nicht alleine tun. Die Positionierung geht alle Bereiche und Abteilungen an, denn am Ende werden alle bei der Umsetzung des neuen Zielbildes ihren Beitrag leisten müssen. Umso wichtiger ist es deshalb, dass eine Positionierung breit abgestützt wird, alle relevanten Entscheidungsträger frühzeitig involviert werden und die Möglichkeit haben, die Zukunft selbst aktiv mitgestalten zu können.

4. Wille zur radikalen Fokussierung anstatt Berücksichtigung aller Wünsche und Ansprüche

Wenn es darum geht, den einen positionierenden Punkt zu definieren, dürfen keine Kompromisse gemacht werden. Denn wenn man beim Positionieren seines Unternehmens versucht, es allen recht machen zu wollen – also irgendwie alle Ansichten und Meinungen unter einen Hut zu bekommen –, dann kommt unweigerlich ein unspezifisches Gemenge ohne Zugkraft heraus. Die Grundbedingung für eine starke Positionierung ist es daher, «Nein» zu sagen zu sehr vielen, durchaus auch attraktiven Möglichkeiten und sich kompromisslos auf einen Punkt festzulegen.

5. Mut zu einer einzigartigen Lösung anstatt eintöniger Branchenangleichung

Das Selbstverständnis einer Branche hat eine gefährliche Sogwirkung, der man sich bewusst sein sollte. Sorgt es doch unterschwellig dafür, dass sich Wettbewerber im Grunde als «gleich» empfinden und ihre Differenzierung nur noch in Oberflächlichkeiten suchen. Man sollte sich deshalb hüten vor sämtlichen der typischen Branchenvorstellungen. Man sollte den Mut entwickeln, eine völlig neue, einzigartige Sichtweise auf die geschäftlichen Zusammenhänge zu entwickeln. Authentische Botschaften in der Kommunikation und ein deutlich differenzierender Auftritt werden die Folge sein.

6. Ein klarer Gedanke anstatt komplexer Markenmodelle mit austauschbaren Adjektiven

Ein einfacher, aber starker Gedanke, der Sinn und Ziel eines Unternehmens auf den Punkt bringt, entfaltet eine viel stärkere Wirkung als ein aufwendig hergeleitetes, hochkomplexes Markenmodell, das mit unzähligen Adjektiven versucht, etwas zu beschreiben, das man am Ende nicht wirklich fassen kann. Modelle sind unserer Erfahrung nach kaum handlungsleitend und stiften meist nur wenig Orientierung. Ein einfacher, klarer Gedanke aber, der für jeden verständlich ist und im Arbeitsalltag sogleich umgesetzt werden kann, entfaltet Wirkung.

Mit einer klaren Positionierung Zukunft kraftvoll gestalten

Durch unsere Einblicke in viele Unternehmen erleben wir tagtäglich, wie ernsthaft und mit welch grossem Aufwand Management-Teams an dem zukünftigen Erfolg ihres Unternehmens arbeiten. Es werden Marktforschungen durchgeführt, Strategien und Produkte entwickelt, Mitarbeiter geschult, Prozesse und Abläufe optimiert sowie Kommunikation und Auftritt gegen aussen weiterentwickelt. All dies immer mit dem Ziel, das Unternehmen im Wettbewerb zu stärken und fit zu machen für die Zukunft.

Damit man auf dem Weg hin zu diesem Ziel die Orientierung nicht verliert und seine Ressourcen stets effizient einsetzt, kann eine einzigartige, das Unternehmen positionierende Idee mit Zugkraft immense Hilfe leisten. In unserer heutigen, dynamischen Welt kann sie der kleine Unterschied sein, der es Ihrem Unternehmen ermöglicht, seine Zukunft kraftvoll zu gestalten.